Die Geschichte
In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs die Bevölkerungszahl von Euskirchen sehr schnell: Der deutsch-französische Krieg brachte der Euskirchener Tuchindustrie manchen Auftrag für Heereslieferungen. Außerdem bot die Einrichtung der Eisenbahnlinien nach Düren, Trier, Köln und Bonn vielen den Anreiz, in die Stadt zu ziehen.
Da die Martinskirche und die Klosterkirche die Gläubigen nicht mehr zu fassen vermochten, wurde beschlossen, im Ostteil der Stadt, auf dem Judenwall, eine neue Kirche zu bauen.
1905 wurde nach den Plänen des Neusser Architekten Aloys Schlösser mit dem Bau der neugotischen Kirche begonnen.
Am 20. Juni 1909 fand die Konsekration der Kirche durch den Kölner Weihbischof Josef Müller statt. Im Dezember 1924 erhob Kardinal Schulte einen Teil der Pfarre St. Martin zur selbständigen Pfarre mit dem Titel Herz Jesu–Pfarre.
Einen ersten Pfarrer bekam die Kirche im Februar 1925: Hermann-Josef Koerfer (Pfarrer an Herz Jesu von 1925 – 1950).
An Heiligabend 1944 wurde die Kirche zerstört; 1949 das provisorisch errichtete Langhaus wieder für den Gottesdienst in Gebrauch genommen.
Der zweite Pfarrer, Joseph Heindrichs (Pfarrer an Herz Jesu von 1950 – 1971), führte den Wiederaufbau tatkräftig durch.
Vom Erzbistum beauftragt, übernahm Professor Dominikus Böhm (später sein Sohn Gottfried Böhm) die Leitung. Die neugotische Anlage der Kirche blieb erhalten.
1975/76 erfolgte unter dem dritten Pfarrer, Matthias Baedorf (Pfarrer von 1971 – 1983), wegen erheblicher Mängel an der beim Wiederaufbau eingezogenen Flachdecke eine grundlegende Restaurierung: Dabei erhielt die Kirche ihr ursprüngliches Kreuzrippengewölbe wieder; der Standort für die neue Orgel (hergestellt von der Firma Weimbs in Hellenthal) im linken Querschiff wurde festgelegt und der Platz des Tabernakels vom Altar in ein Sakramentshaus an der rechten Säule im Chor verlegt.
Das theologische Konzept
Der zweite Pfarrer von Herz Jesu, Dechant Heindrichs, durchdachte und verwirklichte die theologischen Grundlagen für die Ausgestaltung der Kirche. Sein Leitgedanke dabei war: Eine Herz-Jesu-Kirche muss von der Liebe Gottes künden. Das sollte aus der Sichtweise der Theologie des 20. Jahrhunderts geschehen.
In den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts erarbeiteten Theologen – neben anderen Themen – ein neues, vertieftes Verständnis der Herz-Jesu-Verehrung. Diese Erkenntnisse schlugen sich auch in Papstschreiben nieder, besonders in der Enzyklika „Haurietis aquas“ von Pius XII. (1956). Die Theologen verknüpften die Herz-Jesu-Verehrung eng mit den Grundwahrheiten des christlichen Glaubens, besonders mit der Lehre vom Heiligen Geist.
Das wird in der Kirche Herz Jesu deutlich.
Tympanon - Fenster - Kreuz
Das Tympanon über dem Portal mit der Darstellung des guten Hirten (Joh. 10, 7ff) und das Portal selbst mit Szenen aus dem Leben Jesu stimmen den Besucher der Kirche auf das Thema ein. Beide Werke wurden von dem Künstler Helmut Moos entworfen. Die Fenster der Kirche stammen von dem Kölner Maler Robert Rexhausen.
Im mittleren Chorfenster sind die Symbole der Heiligsten Dreifaltigkeit dargestellt (1 Joh. 5,7), im linken das Lamm in der Kelter, im rechten die Taufe Jesu.
Das Kreuz über dem Altar schuf Berthold Müller-Örlinghausen aus Kreßbronn. Mit den Tauben, die von dem Gekreuzigten ausgehen, verdeutlicht es die Stelle aus dem Römerbrief: Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist (Röm. 5,5). Der Kirchenbesucher kann vom Eingang aus die Einheit der sendenden Hand des Vaters im mittleren Chorfenster und dem Kreuz über dem Altar erkennen: Gottes Liebe wird in der Sendung des Sohnes offenbar und im Heiligen Geist, der Kirche und Schöpfung erfasst.
Das rechte Querschifffenster beinhaltet die Aussendung der Apostel in der Liebeskraft des Heiligen Geistes. Die Maßwerke der Fenster in den Seitenschiffen zeigen Tugenden des Alltags: Es sind figürlich – symbolische Darstellungen der Früchte des Heiligen Geistes (Gal. 5,22f): Die Früchte des Geistes aber sind Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung. Von diesen ist die Freude dargestellt in dem Rundfenster über dem Portal (unter dem früher die Orgel stand): Die Künste sollen die Freude verdeutlichen: Musik (Caecilia), Malerei (Buch), Architektur (Text vom Kirchweihfest: Hier ist das Haus Gottes und die Pforte des Himmels).
Das linke Querschifffenster weist auf das himmlische Jerusalem hin, das durch Gebäude der Stadt Euskirchen gekennzeichnet ist: Am Ende der Tage wird der Heilige Geist durch die Kraft der Liebe die Welt umwandeln in ein neues, himmlisches Jerusalem.
Taufstein - Kreuzwegstation - Tabernakel - Euskirchener Madonna - Antoniuskapelle - Franziskuskapelle
Der Taufstein im rechten Querschiff stammt aus der alten Georgskapelle; er trägt die Jahreszahl 1680.
Die Kreuzwegstationen hat der Bildhauer Gerhard Brüx aus Kleve 1909 für die Kirche gestaltet, ebenfalls die Figuren auf den Seitenaltären: Josef (rechts), Anna (links).
Der Tabernakel wurde von Karl Schubert aus Kronenburg geschaffen. Bei der Restaurierung 1976 wurde er von dem Sakramentshaus des Künstlers Sepp Hürten umgeben. Der biblische Hintergrund für die Gestaltung war die Berufungsvision des Propheten Jesaja: Er sah Gott auf einem erhabenen Thron sitzen. Seraphim, die ihn umgaben, riefen einander zu: Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere. Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt (Jes 6,3). Wo Gott in Gestalt des Brotes gegenwärtig ist, gebühren ihm Anbetung und Verehrung.
Links vom Eingang befindet sich die sogenannte Euskirchener Madonna. Bereits im 16. Jahrhundert wird die Verehrung dieser Marienskulptur als Gnadenbild erwähnt, nachdem ein großer Stadtbrand durch das Gebet der Gläubigen vor diesem Bild zum Stillstand gekommen sein soll.
Der folgende Text entstammt dem Jahrbuch der Rhein. Denkmalpflege, Band 40/41; mit Erlaubnis des Verfassers, Herrn Marc Peez, geringfügig geändert bzw. ergänzt:
Der ursprüngliche Standort befand sich in der vom Kriege zerstörten Kapuziner- oder Gymnasialkirche. Die auf den ersten Blick recht einfach gearbeitet Figur misst inkl. zweier profilierter Sockel, von denen der untere wohl eine barocke Zutat ist, lediglich 65 cm. Die bislang von der kunstwissenschaftlichen Forschung wenig beachtete Figur wurde 2008/2009 restauriert.
Neben dem Sockel wurde die Anfügung zweier zusätzlichen Hände - vermutlich ebenfalls in der Barockzeit - ausgeführt. Zu erklären ist dies durch die zeitgleiche Bekleidung der Madonnenfigur, deren eng anliegende Arme und Hände eine Sicht auf diese nach der Bekleidung nicht mehr gestattet hätte. Die barocken Kleidungsstücke sind nicht mehr erhalten, wohl aber solche aus dem 20. Jahrhundert. Die Untersuchung der Farbfassung ergab, dass lediglich die Inkarnate, die Haare und der Kronreif der Madonna bis zu fünf Überfassungsschichten aufwiesen, die übrigen Partien sind nie überfasst gewesen und präsentieren sich in einem außergewöhnlich guten Erhaltungszustand.
Altersbedingt verändert sich die in Zwischgold (Dünne Folie, auf der einen Seite versilbert, auf der anderen vergoldet) aufgebrachten kleinen Muster auf der Mantelaußenseite und die wohl mit dem gleichen Blattmetall, jedoch flächig, belegte und stark reduzierte Oberfläche des Kleides. Ebenfalls erheblich reduziert ist die Fassung des ersten, ursprünglich zugehörigen Sockels, dessen Gliederung ehemals im Wesentlichen durch zinnoberrote und grüne Profilabsetzungen erfolgte.
Das gotische Inkarnat war unter den Überfasssungen erfreulich gut erhalten, ebenso die zeittypische Mattvergoldung auf den Haaren von Kind und Muttergottes sowie der ehemals hellblau mit weißen Perlen gefasste Kronreif, auf dem die Überfassungen schon in großen Teilen wieder abgeplatzt waren.
Während der barocke Sockel als nicht gravierend störend empfunden werden kann, war die Vierhändigkeit der Gottesmutter im "unbekleideten" Zustand schwer haltbar und entstellend. Wieder standen mehrere Variante zur Diskussion. Die Präsentation der Bekleidung wäre grundsätzlich auch zukünftig denkbar gewesen. Diese sicher barocke Umgestaltungsphasen, deren Bedeutung aus konservatorischer Sicht vor allem durch die schützende Auswirkung der Stoffe auf die nicht überfassten Polychromiebereich hoch anzusiedeln ist, hat sicher auch dadurch kulturhistorischen Wert, dass die Skulptur seit der Bekleidung nachweislich als Gnadenbild fungierte.
Diskussionswürdig erschien auch die Alternative, die wohl barocken als auch nachbarocken Zutaten zu entfernen; böte sich doch die Möglichkeit, eine dann nur in Teilen freigelegte, ansonsten nie überfasste Polychromie aus der Zeit um 1400 präsentieren zu können. Zur Disposition standen auch die plastischen Zutaten, die textile Gewandung und die Überfassungen. Mit der Entfernung der plastischen Zutaten und der Bekleidung würde man sich leicht tun, da diese Entscheidung letztendlich reversibel bleibt. Nach einer Abnahme der Überfassungen wäre diese jedoch verloren.
Ein Verlust? Wohl kaum. Die Fassungen an sich fallen im Vergleich mit der gotischen weit ab, eine Einschätzung, die allein schon bei der Betrachtung der ehemals detailreichen und farbenfrohen Fassung des Kronreifs sicher weitgehend geteilt wird.
So wurde letztlich entschieden, die Madonna wieder in ihrer gotischen Ausprägung zu präsentieren. Somit wurden die plastischen Zutaten abgenommen und die überfassten Bereiche rein mechanisch freigelegt. Im Falle der sehr empfindlichen und nicht schadensfrei freizulegenden Mattvergoldung der Haare und Borten wurde hier das Niveau der Zweitfassung angestrebt, welche die Erstfassung wiederholt. Das Ausmaß neuerlicher Zutaten wie Kittung und Retusche war gering.
Die Rückführung in die Kirche erfolgte im Juni 2009.
Text: Franz-Georg Schaeben
Links von der Marienstatue gelangt man in die Antoniuskapelle, in der ein Altar (geschaffen von Helmut Moos) an Situationen aus dem Leben des Heiligen erinnert.
Auf der rechten Seite vom Chor befindet sich die Franziskuskapelle, die der Euskirchener Malermeister Josef Frenz mit Fresken aus der Franziskuslegende ausgestaltet hat. Sie eignet sich gut für Gottesdienste mit kleinen Gruppen.
Fotorechte: A. Arnolds (Lizenz CC-BY-NC-ND)